SPD-Antrag in der Stadtvertretung Schwerin zu „konsequenten Geschwindigkeitskontrollen an Gefahrstellen“ gescheitert

Von 672 902 Fahrzeugen, die zwischen Januar und September vergangenen Jahres durch den Ordnungsdienst der Stadt Schwerin gemessen wurden, waren 65 474 zu schnell. Das entspricht einem Anteil von 10,23 Prozent, berichtet die Schweriner Volkszeitung am 2. Februar 2010 von der Sitzung der Stadtvertreter in Schwerin.

Die SPD-Fraktion hatte beantragt, die Oberbürgermeisterin zu beauftragen, ein Konzept und Einsatzgrundsätze der kommunalen Geschwindigkeitsüberwachung zur Verbesserung der Verkehrssicherheit im Stadtgebiet vorzulegen. Eckpunkte sollten u.a. dabei sein, dass die Geschwindigkeitsüberwachungen nur an erwiesenermaßen gefährlichen Stellen durchgeführt werden, um zu mehr Sicherheit im Straßenverkehr insbesondere für schwächere Verkehrsteilnehmer beizutragen. Die technische Geschwindigkeitsüberwachung mittels Durchfahrtskontrolle (Starenkästen) sollte dabei in höherem Maße als bisher durchgeführt werden.

Der Erfolg solcher Maßnahmen ist vorhersehbar: Die Standorte der "Starenkästen" dürften bald bekannt sein und kaum ein "Raser" würde an diesen Stellen auffallen. Damit wäre die Verkehrsicherheit an dieser Stelle zwar erhöht, aber der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Dr. Hagen Brauer (CDU) sah nach dem Bericht der Schweriner Volkszeitung bei solch einer Anordnung einen "Freibrief für Raser". Diesen Kernpunkt der Debatte hatte der SPD-Antrag bereits in seiner Begründung geahnt und eine klare Position bezogen: "eine Bevorzugung von Kontrollstellen mit zwar hoher Verstoßhäufigkeit, aber erkennbar geringem Konflikt- und Unfallrisiko, steht nicht mit dem Wesen und den Zielen der Verkehrsüberwachung überein".

Der SPD-Fraktion ging es um mehr. Eine schlüssige und transparente Einsatzkonzeption mit klaren Zielen für die Geschwindigkeitsüberwachung ist nämlich geeignet, u.a. das Verständnis für die Maßnahmen zu erzeugen und damit die Verkehrssicherheit zu steigern. Der SPD-Antrag hat ein erfolgreiches Vorbild im Kreis Unna, das auch im Internet zu finden ist. Dieses Konzept ist ein Teil der Anstrengungen des Bundeslandes Nordrhein Westfalen.

Mit der Ablehnung des SPD-Antrages haben die Stadtvertreter die Stadt Schwerin erst einmal darum gebracht, verstärkt für eine Akzeptanz der Geschwindigkeitsüberwachung zu werben. Die kommunale Verkehrsüberwachung wird immer wieder verdächtigt, eher unter Einnahmegesichtspunkten als unter Verkehrssicherheitsaspekten zu handeln. Doch das ist ein vergleichsweise harmloser Verdacht, denn der harsche Vorwurf hieße: so solle eine rigide Verkehrserziehung durch Strafmaßnahmen betrieben werden; mit Säure aufgefüllte oder abgeflexte Starenkästen in Mecklenburg-Vorpommern dürften dann als Antwort darauf zu verstehen sein.

Doch noch schlimmer: die Stadt Schwerin wird auf einen gefährlichen Weg geschickt. Die Stadt ist nämlich verpflichtet, die Überwachungsmaßnahmen dort zu konzentrieren, wo sich häufig Unfälle ereignen oder wo die Wahrscheinlichkeit dazu besteht. Das sind insbesondere solche Stellen, wo Unfälle mit schwachen Verkehrsteilnehmern wahrscheinlich sind und verkehrsregelnde und bauliche Maßnahmen keine Entschärfung bringen können. Wenn die Stadt entgegen dieser Verpflichtung etwa Strecken mit Geschwindigkeitsbeschränkungen aus Lärmschutzgründen oder Bereiche, in denen die zulässige Höchstgeschwindigkeit von vielen Fahrzeugführern überschritten wird, unverhältnismäßig häufig überwacht, setzt sie sich möglicherweise rechtlichen Risiken aus.

Rechtlich nimmt die Stadt Schwerin die Verkehrsüberwachung nicht als eigene Aufgabe wahr. Gemäß § 3 Abs. 1 der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommerns konnte der Stadt aufgrund eines Gesetzes durch Rechtsverordnung öffentliche Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung übertragen werden. So hat das damalige Ministerium für Wirtschaft aufgrund des § 26 Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes den Landräten, Oberbürgermeistern und Bürgermeistern der kreisfreien Städte Zuständigkeiten für die Verkehrsüberwachung, unbeschadet der Zuständigkeit der Polizei, übertragen. Nach § 38 Abs. 5 der Kommunalverfassung führt die Oberbürgermeisterin von Schwerin diese Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises der Stadt durch. Sie ist dafür der zuständigen Fachaufsichtsbehörde verantwortlich. Nur soweit die Oberbürgermeisterin bei der Durchführung dieser Aufgaben ein Ermessen hat, kann sie sich mit der Stadtvertretung oder ihren Ausschüssen beraten.

Ein Ermessen liegt nicht vor, denn im Erlass des Innenministeriums und des Wirtschaftsministeriums vom 05.02.2001 heißt es: "Die verfügbaren mobilen Messkapazitäten sind zu mindestens 70 % der Einsatzzeit sowohl durch die Kreisordnungsbehörden als auch durch die Polizei in enger örtlicher und zeitlicher Abstimmung an Messstellen der Kategorien A bis D einzusetzen." Dabei meint die Kategorie A: Unfallhäufungen laut Unfallbekämpfungserlass aufgrund der Geschwindigkeiten, Kategorie B: sonstige Unfallhäufungen aufgrund der Geschwindigkeiten, Kategorie C: Alleestrecken, Kategorie D: Stellen, an denen überhöhte Geschwindigkeiten zu Unfällen mit besonders schweren Folgen führen können, insbesondere Kurven, Kuppen oder unübersichtliche Knoten, auch Baustellen im Straßenraum.

Vielleicht findet jemand einmal die Zeit, die Häufigkeit der gemeldeten Geschwindigkeitsüberwachung an den über ein Hundert Messstandorten in Schwerin statistisch zu erfassen. Als Favoriten gelten die Ludwigsluster und Crivitzer Chaussee, deren Messstandorte zumeist wohl schwerlich den Kategorien A bis D zuzuordnen sein werden.

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